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Ausflüge

Feierabendtour Bodenschneidhaus

Am vorletzten Tag meiner letztjährigen Langstreckenwanderung „fühlte ich mich so leicht, als könne ich fliegen. Ich ruhte in mir selbst, genoss das Leben und sprudelte von Energie und Ideen. Dieses Gefühl hab ich fest abgespeichert als neue Referenz.

Weit weg ich bin von dieser Referenz…

Ein neues Jahr und neue Herausforderungen. Schnell dreht sich meine Welt. Der Flughafen ist mein Zuhause geworden. Jede Woche pendle ich in Europa hin und her. Diese Woche war ich in Oxford, letzte in Ungarn. Ich habe das Gefühl jeden Mitarbeiter der Sicherheitskontrolle in München zu kennen. Das wilde Konzernleben ist geprägt vom täglichen Meetingtetris des Kalenders, vom Aufploppen von Nachrichten, Mails und verpassten Anrufen. Es ist, wie ein Torwart beim Elfmeterschießen zu sein, nur dass man nicht weiß, wie viele Spieler gleichzeitig schießen dürfen. Wie schön muss es doch gewesen sein, als nur ein Telefon klingeln konnte, es belegt war ohne Anrufbeantworter, als Briefe geschrieben wurden und Antworten verzögert ankamen. Heute ist die Email schon das langsamste Medium.

Und dennoch gelingt es mir zunehmend für kurze Ausflüge aus dieser Welt auszubrechen - so wie heute. Micro-Abenteuer nennt sich das Neudeutsch. Es ist Freitagnachmittag, die Blechlawinen drängen sich dicht durch den Mittleren Ring Richtung Süden. Mühsam bahnen wir uns den Weg zum Schliersee. Voller Vorfreude kommt uns der Weg unendlich lange vor. Angekommen in Neuhaus parken wir am Wandererparkplatz und ziehen los.

Meine bunte schnelllebige Gedankenwelt wird Schritt für Schritt durch den Takt des Ganges gezähmt. Ein Schotterweg führt entlang eines Baches den Berg hinauf. Erst ca. 30min später erinnere ich mich, dass ich auf jener tiefenentspannten Wanderung im letzten Jahr hier vorbeikam - auf dem Weg zum Tegernsee. Ich selbst könnte nicht unterschiedlicher sein und wahrscheinlich deshalb fiel der Groschen so spät. An der Abzweigung zur Kühzaglalm erinnere ich mich an die wunderbare Brotzeit und das kühle Weißbier jenes Sommertages. Wir biegen ab in den Wald und folgen dem matschigen Schneepfad. Ein paar Minuten geht es hier entlang, ausreichend um Nässe in die Bergschuhe eindringen zu lassen.

Wieder zurück auf einem Forstweg durchqueren wir ein malerisches Tal, das noch tief im Winterschlaf zu sein scheint. Die Sonne lässt die weiten Schneefelder funkeln. Hier oben - unten Frühling, oben Winter - bin ich weit weg vom Trubel des beruflichen Alltags, von Nachrichten, Meetingtetris und Sicherheitskontrollen. Nach ca 1.5 Stunden Aufstieg erreichen wir das im Schatten des Bergrückens liegende Bodenschneidhaus.

Ruhig ist es in der Hütte am Freitagabend. Zwei kleiner Gruppen sind noch dort. Wir essen zu Abend, genießen ein Glas Wein und starren in das friedlich knisternde Feuer. An den Wänden hängen schwarz weiß Bilder der Hütte. In der alten Stube scheint die Zeit still zu stehen. Wie viele Probleme, Ängste, Sorgen wohl schon diese Tür betreten haben und wie wenig Bedeutung sie heute noch haben? Dinge haben immer nur jene Bedeutung, die man ihnen gibt. Und heute Abend am knisternden Feuer mit meinem Glas Wein gebe ich nichts eine größere Bedeutung als der angenehmen Stille.

Über meinem Bett im Zweibettzimmer der Hütte hängt ein Bild von Karl Spitzweg: der arme Poet. Meine Bettposition ist ähnlich und auch ich friere heute Nacht. So sehr ich die Einfachheit der Hütte genieße, so sehr vermisse ich eine warme Dusche und ein Kopfkissen.

Wir steigen direkt nach dem Frühstück ab, denn wir sind noch eingeladen. Die Welt beschleunigt sich mit jedem Schritt nach unten. Eine eiskalte Dusche im Hallenbad Tölz ist das Mittel unserer Wahl, um ausgehfertig zu werden. Und so endet dieses Micro-Abenteuer um 11Uhr am Samstagvormittag in einem Café unter einem blühenden Apfelbaum in der oberbayerischen Frühlingssonne. Wer hätte gedacht so viel zwischen Feierabend und Samstagmorgen erleben zu können?

Mein Name ist Nela. Ich bin eine freiheitsliebende Entdeckerin, voller Neugierde Neues zu finden, zu sehen, zu versuchen.

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