Ein sägendes Schnarchgeräusch reißt mich aus meinen schönen Träumen. Minuten um Stunden vergehen und es wird nicht besser. Es fliegt das Zierkissen neben mir treffsicher in Richtung des Besoffenen. Treffer - doch keine Ruhe. Entnervt stehe ich auf und rüttle an dessen Füßen. Kurze Ruhe tritt ein, bevor es wieder losgeht. Um halb zwei Morgens reißt mein Geduldsfaden und ich pikse solange in dessen Füße bis er erwacht. Ich weise ihn auf das Schnarchen hin und auf die Möglichkeit in der Stube zu schlafen. Ich stopfe die Ohropax zurück ins Ohr und schlafe endlich ein.
Wir brechen am Morgen bei warmem Sonnenschein Richtung „Niedere Munde“ auf, die die Schnellwanderfamilie Högner noch am Vortag hätte abrennen wollen. Mein Muskelkater quält jeden Schritt. Der sogenannte Schotterweg der Alpenvereinaktiv-App stellt sich als schmaler Wanderpfad mit kleineren Kraxelpassagen heraus. Nach ca. 800 Höhenmetern erreichen wir die niedere Munde. Dobby und die Freundin Winky sitzen schon in der Wiese und versuchen um 11Uhr mit dem Gaskocher Nudeln zu machen. Freudig sagt Dobby lispelnd zu Winky: „Heute bist du mit Nudeln brechen dran!“ Winky springt freudig auf und führt dieses Tageshighlight aus. Wir genießen indes den Ausblick auf das Inntal und beginnen den Abstieg. „Gehst du wieder runter?“ fragt Dobby mit großen Augen, was angesichts des gemeinsamen Tagesziels irritiert.
Die Sonne brennt auf uns hinunter. Es hat 36 Grad im Schatten, doch es ist kein Schatten zu finden. Die Atmosphäre ist wie in irgendeinem deutschen Film in der Pampa von Brandenburg zwischen Feldern, zwischen denen Matthias Schweighöfer und Nora Tschirner lachend durch die flirrende Sonne radeln, und die Nachbearbeitung viel zu viel Filter drübergelegt hat. Die 50er Sonnencreme, die mir der Werksarzt in meinem Care-Paket für die letzte Dienstreise mitgegeben hatte, scheint aufzugeben. Meine Arme glühen rot…
Ein schmaler Pfad zwischen niedrigeren Kiefern lädt immer zum Ausrutschen ein. Ich versuche mich trotz Hitze auf den Weg zu konzentrieren und arbeite mich Stück für Stück ins Tal herab. Immer wieder halte ich kurz und notiere ein paar Gedanken, die ich sortiert habe. Über ein Geröllfeld erreichen wir schließlich die Neue Alplhütte. Das hätten wir am Vortag niemals geschafft. Nach einer kurzen Rast folgen wir einer Forststraße im Wald (endlich Schatten!), die in den Ochsenbründelsteig übergeht. „Wie weit ist es noch?“ ist meine Hauptfrage und ich komme mir vor wie ein ungeduldiges Kind auf dem Weg zu Union Lido in den Badeurlaub. Entlang des Weges ist ein Kreuzweg aufgebaut. „Kreuz 8“, „Kreuz 7“, „Kreuz 6“ markieren die Meilensteine des Abstiegs und werden mir regelmäßig zugerufen. Todmüde kommen wir in Wildermieming an, wo Dobby und Winky heute schlafen werden. Wir laufen auf der Teerstraße weiter. Immer wieder finden Gedanken den Weg in meine Notizen…
Am Golfplatz Mieminger Plateau und dem Alpenressort Schwarz beschließen wir nicht mehr Teerstraßen das Tal zu durchqueren und nehmen für die Straßenpassage ein Taxi bis Stams. Wir werden warmherzig von der Familie Speckbacher empfangen. Dennoch wird uns die Dusche freudig angepriesen und es wird empfohlen doch die Wanderschuhe auf unseren Balkon zu stellen. Wir müssen einen besonderen Duft verströmen. Ganz ohne Duschmünzen und Zeitbeschränkung genieße ich die Dusche, den sanften Schaum des Duschgels und die Frische meiner „Ausgehuniform“. Zum Abendessen eiere ich, als hätte ich ein Holzbein. Für jede Stufe brauche ich beide Füße. Mein Muskelkater hat mich voll im Griff….