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Garmisch-Gardasee

Tag 6: Schweinfurther Hütte - Winnebach

Die Sonne beleuchtet warm und klar die umliegenden Berge. Das einheitliche Blau des Himmels wirkt dahinter wie ein Tonpapier. Es ist noch ein wenig nasskalt, als wir losziehen. Langsam führt uns der Fahrweg in ein Tal hinein. Das sanfte Plätschern des Flusses begleitet unseren Aufstieg. Der Weg geht über in einen Pfad, der zunächst über Wiesen führt. Hier und da schmatzen die Schritte im batzigen Untergrund. Immer mehr Geröll tut sich als Hindernis unseres Weges auf. Von beiden Seiten des Tales scheinen einige Gerölllawinen am stürmischen vorgestrigen Tag heruntergekommen zu sein. Der Weg ist an einigen Stellen nicht mehr erkennbar, stattdessen türmen sich meterdick Schlamm und Gestein. Ein grusliger Gedanke schießt mir durch den Kopf: man wisse gar nicht, ob darunter jemand sei. Ich schiebe schnell den Gedanken beiseite und arbeite mich weiter nach oben. Langsam verstehen wir die panischen Berichte der gestern entgegengekommenen Wanderer, die von tennisballgroßen Hagelkörnern berichtet hatten, von Tshirts, die sie unter ihre Caps gestopft hatten, um ihre Köpfe zu schützen und von Körpern, übersät von blauen Flecken. Wir hatten die Situation richtig eingeschätzt und wohl im Kühtailtal auch Glück gehabt. Ein älterer Herr, der mich früh überholt hat, kommt irgendwann zufrieden zurück, nachdem er seine Kühe glücklich grasend gefunden hatte.

Auszug aus meiner Gedankenwelt:

Viele Male habe ich dieselben Dinge in von links nach rechts gewälzt, aus dieser und jener Perspektive betrachtet. Viele Themen, die meinen Alltag beschwert haben, konnte ich Stück für Stück loswerden. Der persönliche KVP (kontinuierlicher Verbesserungsprozess) ist etwas, was mich immer herausfordert und mir dennoch so wichtig ist. Wir alle können Erfahrungen sammeln und an Expertise gewinnen. Am befreiendsten und erfolgreichsten wird das nur in Kombination mit der Arbeit an sich selbst, an Handlungsmustern, Macken, Reaktionen, Knöpfen, die gedrückt werden können. In den letzten Monaten bin ich immer wieder auf ein eigenes Muster gestoßen, dessen Ursprung ich nicht verorten konnte, ein Muster, das ich gerne ändern möchte. Seit Tagen analysiere und vergleiche ich Situationen, in denen ich mich ähnlich verhielt. Ich folge der Spur bis in meine frühe Kindheit. „Es ist alles schon gesagt“ hat mir neulich jemand in einem Gespräch entgegnet. So kommt es mir auch vor, als ich den Bodensatz meines Ichs zum hundertsten Male versuche zu vereinzeln, sortieren, clustern, analysieren. Und als ich so aufsteige, Geröllfeld für Geröllfeld, in meinem Takt, fast wie in einer Gehmeditation, und mein Gehirn rattert und rattert, scheint es, wie wenn eine Prise neue Zutaten hinzukäme und eine chemische Reaktion auslöst. Es ist, als setzte sich das letzte Puzzlestück ein und ergäbe ein Bild. Wie das Lösen eines inneren gordischen Knotens.

Ich setze mich und notiere all meine Gedanken und Erkenntnisse und freue mich auf das Neujustieren dieses Musters. Und heute bin ich glücklich, dass ich wieder fernwandern bin. Es ist eines dieser Beispiele, das für mich Fernwandern von anderen Urlaubsarten unterscheidet. Die Tiefe der Gedanken entsteht, zumindest bei mir, nicht am Strand oder im Wellnesshotel. Es ist schön, dem Kopf und den Gedanken genug Zeit und Raum geben zu können, während wir im Alltag oft per Mail, Chat, Anruf, Telefonkonferenz und Sms gleichzeitig beschallt werden. Befreit und beglückt erreiche ich das Zwiselbachjoch und genieße die Aussicht.

Steil geht es hinab ins Tal. Konzentration ist gefordert. Nach ein paar Serpentinen eines Pfades wird es flacher und eine weite Hochebene ist zu durchlaufen. An der Abrisskante dieser Ebene thront die Winnebachseehütte, direkt vor dem angrenzenden Winnebachsee und einem imposanten Wasserfall. Wir machen eine kurze Pause.

Es ist brennend heiß und dampfig. Der weitere Abstieg folgt dem Winnebach, der sich idyllisch ins Tal schlängelt. Der Weg ist einfach zu gehen, viele Familien mit kleinen Kindern sind unterwegs. Irgendwann beginnt die Baumgrenze und der Pfad wird zum schattigeren Waldweg, schließlich zum Fahrweg. Nach acht Stunden Wanderzeit kommen wir in Winnebach an unserem heutigen Ziel an. Eine Pension mit Sauna, Dampfbad und Ruheraum wartet auf uns und läd zur Regeneration ein.

Mein Name ist Nela. Ich bin eine freiheitsliebende Entdeckerin, voller Neugierde Neues zu finden, zu sehen, zu versuchen.

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