Wo kann man besser ein Fazit ziehen als im MonteMare am Tegernsee? MonteMare von den Bergen zum Meer, vom Münchner Marienplatz zum Markusplatz nach Venedig.
Viele haben uns vor der Reise für verrückt erklärt. Viele waren verwundert und ein wenig neidisch. Andere haben sofort entsetzt gefragt, was daran Urlaub sei. Einige haben uns gewarnt, eine solche Reise könne ehegefährdend sein. Neugierig haben viele unsere Reise verfolgt.
Zu Fuß vier Wochen mit Gepäck über die Alpen zu laufen ist ein Urlaub der anderen Art. Eine Liebeserklärung an die Natur und die Erhabenheit der Berge, ein Versprechen sich dem Wetter und den Bergen unterzuordnen, eine Rückbesinnung auf das Wesentliche, eine Beschränkung auf das Allernötigste und ein Chance sehr viel Zeit zu zweit zu erleben.
Nach einer abgeschlossenen Doktorarbeit und einer intensiven Zeit im Büro haben unsere Körper das Arbeiten und Leiden verlernt, während unser Geist ein zugemülltes Post-It-Board zu sein schien. Jeder Gedanke ein Post-It, ab in den Mixer und ganztägig auf Dauerbetrieb eingestellt. Das Gegenprogramm der körperlichen Herausforderung und mentalen Entspannung war die naheliegende Reaktion. Nun werden solche "Großprojekte“ gerne auf „wenn, dann- Zeitpunkte“ verschoben (wenn man lange Urlaub bekommt, Job wechselt, ein Sabbatical nimmt, das Projekt fertig ist, die Kinder aus dem Haus sind oder wenn man in Rente geht). Leider haben uns einige verfrühte Todesfälle im familiären Umfeld eines Besseren belehrt. Es kann jeden Moment zu spät sein. Wünsche können unerfüllt bleiben und die Hinterbliebenen bleiben mit einem schlechten Gewissen auf aufgeschobenen, nicht eingelösten Versprechen sitzen. Also war jetzt der richtige Zeitpunkt, jetzt genau jetzt, kurz nachdem die Idee aufkam diesen Weg zu laufen.
An dieser Stelle möchte ich meinem Lungenarzt Dr. Schnell danken, der mich innerhalb von zwei Monaten von einem keuchenden und pfeifenden Etwas zu einer weitestgehend hustenfreien Alpenüberquererin gepusht hat.
550km liegen laut Reiseführer hinter uns. 507,61 sagt meine Fitbit. 732166 Schritte und ca. 20000 Höhenmeter hoch und etwas mehr runter. Die ersten zwei Tage nach Tölz waren wohl rückblickend für unsere Muskulatur die härtesten. Von einem 9h-Bürotag über Nacht auf einen 9h-Wandertag zu wechseln ist eine harte Nummer. Schnell haben sich die Beine an das Laufen gewöhnt und die Problemchen der ersten Woche (wie Knieschmerzen oder eine entzündete Achillessehne) waren nach zehn Tagen Geschichte. Von da an kraxelten und wanderten wir täglich wie selbstverständlich zwischen sieben und zehn Stunden. Blasenfrei sind wir in Venedig angekommen, ggf. unterstützt durch das tägliche Eincremen mit Hirschtalg.
Die Route selbst ist landschaftlich unglaublich reizvoll. Sie führte uns durch das Karwendel, durch die Inntaler und Tuxer Alpen ins Pustertal, durch die Dolomiten und die Civetta, bis es durch die Weinanbaugebiete des Veneto an der Piave entlang ans Meer ging. Der Weg ist so erstellt worden, dass die Veränderung der Gesteinsarten und der Vegetation sich Etappe für Etappe im Vorbeigehen erkennen lässt.
Am besten hat es uns in Bayern und Südtirol gefallen. Die schönste Alm war die Kreuzwiesenalm bei Lüsen, auf die wir sicher ganz bald zurückkehren werden. Die Medalges Alm hatte zwar kaum Komfort, war dennoch durch die Abgeschiedenheit, Einfachheit und die Freundlichkeit der Wirte ein Highlight. Weiterhin ist uns die Glungezer Hütte durch die Wirtsfamilie und die nette Stube sehr positiv in Erinnerung geblieben, während die Übernachtung nach der Rückfahrt in der ÖBB die unangenehmste der Reise war. Nach dem Pordoijoch haben wir uns lange Gedanken gemacht, ob es nicht eine andere Möglichkeit gegeben hätte, von dort nach Venedig zu kommen. Die Etappe nach Alleghe und die Klettersteigproblematik der Schiara machen den Weg nach Belluno zur unbefriedigenden Weiterreise. Die vergleichsweise geringe Anzahl an Hütten und Wanderwegen in den italienischsprachigen Alpen sind herausfordernd für das Finden einer Alternativroute. Dennoch würden wir Wanderern, denen diese Reise noch bevorsteht und die nicht 600 Höhenmeter am Schiaraklettersteig absteigen möchten, empfehlen Alternativen zu prüfen. Auf dem Weg von Belluno nach Arfanta wählten wir eine Alternativroute über das Rifugio Pranolz, welche sich absolut gelohnt hat. Die Flachlandetappen ab Revine zu laufen hatte in unseren Augen auf Gesamtsicht seinen Sinn. Man läuft sich noch einmal wie von München nach Tölz die Beine kaputt, man kämpft mit der Hitze, der Monotonie, mit sich selbst und mit der Frage, ob dieser Traumpfad wirklich Urlaub ist. Trotzdem sind es viel schönere Etappen als erwartet. Man geht kaum auf Straßen, dafür durch Weinreben und auf Staudämmen. Landschaftlich sollte man auch dieses Etappenstück erlebt haben. Und erst, wenn man sich auf diesen 80-90km durch die Pampa Venetos gequält hat, kann man sich überschwänglich freuen, wenn man die Füße in die sanfte Strömung des Meeres stellt. Erst dann wird die Erleichterung und die Freude durch die Erschöpfung ins Unermessliche gepusht. Erst dann hat man es wirklich geschafft.
Das Packen, Laufen, Waschen, Blog-Schreiben ist zum Alltag geworden. Ein Tag ohne Laufen kommt uns merkwürdig vor. Mir fehlt es, dem Max nicht. Würden wir nochmal laufen? Ja, definitiv war die Reise eine tolle Erfahrung, die wir nicht missen wollen. Zukünftig würde ich allerdings nur noch ca. zwei Wochen am Stück laufen, der Max präferiert Mehrtages- statt mehrwöchige Touren. Ist eine solche Reise ehegefährdend, wie so viele im Vorhinein angemerkt haben? Nein, im Gegenteil, wenn es passt, schweißt der Traumpfad einen noch mehr zusammen. Wenn es nicht passt, stellt man dies sicherlich in diesem Urlaub fest, was einem einige überflüssige, gemeinsame Jahre erspart.
Für Wanderer, die bald den Traumpfad laufen möchten:
Was kostet die Reise?
Ob Fernreise oder Wandern, beides hat seinen Preis. Viele Hütten werden per Hubschrauber versorgt, andere per Jeep oder Materialseilbahn. Folglich kosten die Mahlzeiten dort einiges. Mit ca. 70€/ Person und Tag sollte man rechnen, wenn man in Zweier-/Mehrbettzimmern unterkommt und sich hier und da etwas gönnt. Auf der ganzen Tour ist es schwierig sich selbst zu versorgen. Wir haben nur zwei Mal einen Supermarkt betreten. Man kommt an sehr wenigen vorbei, welche dann natürlich Sonntags, aber auch mittags bis zu vier Stunden geschlossen haben. Daher lebt man hauptsächlich von Restaurants und Hütten/Gasthöfen/Hotels.
Ausrüstung: Unsere Ausrüstung war perfekt gepackt. Wir haben nichts vermisst und nicht zu viel dabei gehabt. Eine Packliste werde ich separat erstellen, sodass sie mühelos nachgepackt werden.
Wir wünschen allen Wanderern, die diesen Blog als Vorbereitung lesen eine tolle Alpenüberquerung, eine wunderbare ruhige und friedliche Zeit in den Bergen und Durchhaltevermögen. Alle, die noch zweifeln, oder unter akuter Aufschieberitis leiden, möchten wir ermutigen den Traumpfad einfach zu versuchen. Packt euren Rucksack, lauft los, traut es euch zu, kämpft gegen Müdigkeit und lasst euch von einer unglaublichen Ruhe, Leere, Einsamkeit, von wunderbaren Ausblicken und traumhaften Eindrücke belohnen. Und solltet ihr einen Durchhänger haben, gönnt euch ein - zwei Pausentage und startet wieder. Und wenn es doch nicht klappt, kann man immer noch abbrechen und den Rest der Zeit für einen Wellnessurlaub in einem nahegelegenen Talort nutzen. Wenn ihr den Traumpfad laufen wollt, dann lauft los und findet keine Ausreden, warum jetzt gerade nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist. Es wird sich lohnen!