Ich breche wieder auf, um zu laufen... Der Couchtag hat ebenso gut getan, wie mich aus meiner Routine gerissen. Lange haben wir diskutiert, wie ich die nächsten Etappen geschickt einteilen kann, um jeden Tag eine Unterkunft zu erreichen. Dem Plan folgend fahren wir zum Mont Vully, der mehr einem letzten Schluckauf des Juras gleicht, als einem Berg.
Es ist eiskalt. Ich habe alles angezogen, was der Rucksack hergegeben hat... Am Horizont bäumen sich düstere Regenwolken auf und verheißen nichts Gutes. Und so verabschiede ich mich vom lange recherchierten Ablauf, um 12:15Uhr das Ausflugsboot in Praz zu nehmen, eine Runde auf dem Murtensee zu fahren und in Murten Richtung Thörishaus aufzubrechen. Ich spare mir das Ausflugsboot und werde im Sommer auf das Angebot meiner Schwägerin zurückkommen und mit dem SUP über dem Murtensee paddeln...
Startpunkt wird also Murten sein, ein mittelalterliches Städtchen, voller kleiner Restaurants und Geschäfte. Ich verlasse, wieder allein unterwegs, den Ort und wandere auf eine Anhöhe. Von hier aus hat man einen schönen Blick über den Murtensee und den Mont Volly. Ich durchquere einen grell grünen Wald, der fast schon surreal farbig wirkt. Die Vogeln zwitschern fröhlich, während meine Wanderstiefel bei jedem Schritt im nassen Matsch schmatzen. Langweilig zieht sich der Weg dahin... Das Wetter wird langsam freundlicher. Und als ich, durch eine Gruppe straßenhockeyspielender Kinder eine Weidenlandschaft erreiche, reißt der Himmel auf und warme Sonnenstrahlen kitzeln meine Nasenspitze. Ein Hinweisschild über eine saisonale Brutstätte und eine daraus bedingte Umleitung erwartet mich in Riesenau. Wie immer ist auf die Swissmobil-App Verlass, die mir andersfarbig die kurze Umleitung, sowie deren Gründe erläutert.
Über eine kleine Brücke erreiche ich schließlich Laupen. An der Saane-Sense-Mündung lege ich eine kurze Pause ein und schaue einem Schlauchboot beim Vorbeifahren zu. Als es außer Sichtweite ist, ziehe ich weiter. Vorbei an jugendlichen Gangstergruppen, die meinen unglaublich cool zu wirken, verlasse ich Laupen, um weiter am Ufer des Flusses Sense zu wandern. Einige Stromschnellen wecken glückliche Erinnerungen ans Kajakfahren. Ich schätze den Schwierigkeitsgrad auf Wildwasser II-III. Nach kurzem Googlen finde ich eine Tourenbeschreibung und beschließe irgendwann mit Boot zurückzukehren: http://www.kajaktour.de/sense.htm
Links des Weges ist ein Zaun, auf dem geschrieben steht: "bitte kein Salat füttern, Kaninchen sterben“. Da kein Kaninchen mehr zu sehen ist, folgere ich daraus, dass sie an der Salatdiät der Passanten gestorben sind. Auf der rechten Seite des Weges entdecke ich einen Bücherschrank unter einer mit Graffiti besprühten Brückenmauer. Als Großstadtmensch fühle ich mich sofort heimisch und laufe schmunzelnd weiter. Nur noch eine Durchquerung eines Campingplatzes und ein paar hundert Meter am Fluss entlang trennen mich vom Etappenziel: Thörishaus (ein nicht weiter erwähnenswerter Ort, der praktisch liegt).
Ich stehe vor dem Gasthof, in dem ich reserviert habe. Wie angeordnet rufe ich an, da die Tür verschlossen ist und weit und breit niemand zu sehen ist. „Drücken Sie rechts folgenden Code...., dann öffnet sich die Tür, gehen Sie rein, dort finden Sie einen Brief und ihre Zimmerkarte. Alles, was Sie wissen müssen, steht auf dem Brief. Wenn sie jetzt nach links schauen, sehen sie eine Kaffeemaschine. Im Kühlschrank finden Sie Ihr Frühstück für morgen. Ist beschriftet. Gute Nacht.“
Ich fühle mich, als würde ich Anweisungen für eine Geldübergabe entgegennehmen. Es ist unglaublich still... mir wird klar, dass ich heute im ganzen Gasthof alleine sein werde.
Als ich ein paar Stunden später doch Schritte höre, beschließe ich mir keine Gedanken zu machen und schlafe müde ein...