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Ausflüge

Invalidentour Kolbensattelhütte - Pürschlinghaus

Gemütlich genieße ich mein Glas Prosecco zum Frühstück, während ich eine große Schüssel Birchermüsli mit frischen Beeren esse. Am Nebentisch diskutieren zwei Gymnasiallehrerinnen lautstark darüber, ob denn erwartet werden könne, dass sie in beiden ihrer Fächer „sich in Oberstufenniveau einarbeiten“. Es schüttelt mich ein wenig. Wenn man nur zwei Fächer hat, schafft man es dann nicht bis zum Abitur zu unterrichten? Es kommt ja nichts neues dazu? Das ganze Berufsleben ist eine einzige Wiederholungsschleife. Ist es so schlimm nach Napoleon ggf noch die Weltkriege zu lehren?  Sie ziehen los und nutzen die letzte ihrer sechs Sommerferienwochen.

Auch ich mache mich auf zum Kolbensattellift. Diesen alten 2er Sessellift kenne ich bereits aus Kindertagen. Es hat sich viel getan. Ein Bikepark, ein riesen Spielplatz oben am Berg, ein Bogenschießparcours und eine Sommerrodelbahn sichern die Einnahmen des Sommers. Das Konzept scheint aufzugehen, denn es ist proppenvoll. Hinter mir weint ein kleines Mädchen lautstark. Der Grund belustigt mich: sie wolle hoch laufen und nicht mit dem Lift fahren. Hätte ich früher mal das Angebot bekommen mit dem Lift zu fahren, ich hätte es gefeiert. Doch sie bleibt hartnäckig.

Oben angekommen am Kolbensattelhaus entdecke ich den großen Spielplatz. „Machen Sie mehr Dummheiten/ Kinderaktionen“ hieß es im Coaching. Einfach mal glücklich sein, einfach mal etwas Sinnloses machen, einfach mal keinen Output haben. So schaukel ich mit Blick aufs Tal, bis ich merke, dass Schaukeln mich irgendwie schummrig macht und mir sich alles in mir dreht. Ich bin wohl doch noch etwas lädiert von meinem Sturz in den Bergen.

Ein wenig fühle ich mich wie auf dem Heimweg von der Wiesn - Schaukeln und schummrig - nur dass ich heute Stöcke dabei habe und irgendwie weder das Peaches-Hüttchen für den Weg-Tequila noch das Weißbierkarussel in Sichtweite sind. Bewegen und Frischluftwatschn war schon immer etwas Hilfreiches gegen das Drehen im Kopf. So starte ich ein paar Meter Richtung Pürschlinghaus zu wandern.

Ich erinnere mich wie ich letztes Jahr auf dem Weg nach Lindau hier lief. Es war der einzige Unterbrechungstag der Wanderung denn mein Kollege meldete sich mit Dramen des ungarischen Personalwesens, die ein Mitgrund sind weshalb ich heute auf dem Weg zu einem neuen Arbeitgeber sind. Der Postsozialismus Ungarns hatte voll zugeschlagen und Regeln wurden nur der Regeltreue wegen erfüllt. Einen Sinn hatte keiner so richtig erkannt. Die Erinnerungen und Gedanken arbeiten noch ein wenig in mir bevor ich sie vorbeiziehen lassen und frei im Geist den Weg weiterhumple.

Irgendwann komme ich an einer kleinen Kapelle vorbei in deren Innenraum sämtliche Bergtoten der Region ein Taferl bekommen haben. Dankbar, dass mein Name noch keine Tafel ziert, beschließe ich den Feldweg hinauf zum Pürschlinghaus zu schaffen. Stolz und glücklich schmeckt das Weißbier hier oben heute umso besser.

Der Abstieg ist zäh und mühsam. Er wirkt wie ein strenges Physioprogramm. Doch nach einiger Wackelei und ein paar bewundernden „Reschpekt“-Zurufen habe ich es zurück zur Kolbensattelhütte geschafft, die mein eigentliches Tagesziel war. Die Sommerrodelbahn wird den Abstieg ersetzen. Ein einziges Mal bin ich in meinem Leben Sommerrodelbahn gefahren - an der Schliersbergalm mit ca. 8 Jahren. Und während ich auf der Wiesn nichts lieber mache als das hohe Kettenkarussell zu fahren, mag ich Achterbahnen aller Art umso weniger. Das Gefühl zu fliegen ist mir scheinbar näher als zu sausen. Heute ist dennoch sausen angesagt. Und da ich größer als 1,30m bin, muss ich wohl oder übel alleine durch. „Machen Sie mehr Dummheiten, etwas Sinnloses, etwas Kindliches“ und „machen Sie mal bewusst was richtig scheiße“ hallt wieder in meinem Ohr. Diese Sommerrodelbahn steht mir mehr bevor als jede Vorstandspräsentation. Ich starte - irgendwie ist mir das alles zu schnell, zu unkontrollierbar. Ob man da rauskippt, wenn man mehr Gas gibt? Vorsichtig versuche ich etwas „wilder“ zu sein (wahrscheinlich sind alle fünfjährigen hinter mir schon im Stau). Und tatsächlich ertappe ich mich Spaß zu empfehlen an etwas derart Sinnlosem, das ich wahrscheinlich richtig schlecht mache. Ich „sause“ hinab ins Tal und komme mir unglaublich schnell vor. Wie schön - denke ich - dass ich aus dem Schlechten etwas Gutes mache, dass aus Bänderrissen auch Glücksmomente entstehen…

In allem Negativen zeigt sich auch etwas Positives, was sich ganz besonders dieses Wochenende zeigt. So traurig ich bin den Lechtaler Höhenweg per Heli abbrechen zu müssen, so dankbar bin ich für alle Chancen und Begegnungen, die sich daraus ergeben haben...

Mein Name ist Nela. Ich bin eine freiheitsliebende Entdeckerin, voller Neugierde Neues zu finden, zu sehen, zu versuchen.

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