Tenniscamp - Waging am See
20 Jahre ist es her, dass ich aufgehört habe Tennis zu spielen. Meine Bambina-/ Juniorinnen-Mannschaft ist damals zerfallen und ich hab die Freude an dem Sport verloren. Nun, nach langer Pause, gab es einen neuen frischen Impuls wieder zu starten. Nach einigen Malen „warmspielen“ auf dem Sandplatz und in der Halle, sehe ich den Bedarf nach Anleitung zum Auffrischen, um eine solide Grundlage für meinen Neuanfang zu bekommen.
Es ist ein kalter, sonniger Novembersonntag am Waginger See. Das Tenniscamp von Sepp Baumgartner wartet auf mich. 8 Sandplätze und 4 Hallenplätze hat die Anlage, daneben ein Wellnesshotel mit Feng Shui Spa-Bereich. Aufgeregt treffe ich auf die anderen beiden Kursteilnehmer aus Schwerin und Hamburg. Vorspielen, Videoanalyse und Kurseinteilung, sowie ein Gemeinschaftsabend stehen auf dem Programm. Sepp Baumgarter, Europameister der Herren 45+ und 55+, ist Eigentümer der Anlage und leitet das Camp. Bei einem gemütlichen Abendessen erklärt er den Ablauf des Trainings und schafft ein gewisses Teambuilding. Seine stolzen Beschreibungen einer Kursteilnehmerin, „die nach 10 Jahren echt eine schöne, saubere Vorhand gespielt hat“, frustrieren mich. Ich hatte für die nächsten 10 Jahre doch noch mehr vor, als nur an meiner Vorhand zu arbeiten.
Wir treffen ein älteres Pärchen: sie Anfang 70, er ca. Mitte 80. Sie haben sich hier im Tenniscamp kennengelernt und vor acht Jahren hier geheiratet. Jeden Tag sehen wir sie am Nebenplatz in ihrem Tempo Tennisspielen. 10 Jahre älter sollen Tennisspieler laut Sepp Baumgartner werden. Das kann ich mir bei diesem Pärchen auf jeden Fall vorstellen.
Meine Videoanalyse ist verheerend, wie ich finde. Ich beschließe, dass ich nur gewinnen kann, denn schlechter kann es kaum werden. In den kommenden Tagen werden wir täglich 2x 90min Training haben, dazwischen eine Stunde Pause. Die grüne Ballmaschine gibt den Takt vor. Unbeirrt spuckt sie die Bälle auf immer dieselbe Position aus. Diese Laborbedingungen helfen mir kleine Veränderungen und deren Auswirkungen frei von Außeneinflüssen zu testen. So üben wir Vorhand, Rückhand, Volley, Lob, Stopper erst einzeln, dann in verschiedensten Kombinationen. Sale, unser Trainer, korrigiert uns individuell und führt für jeden kleine Korrekturen direkt vor. Zu viert findet er immer wieder motivierende Spielformen, in denen auch ich als (Wieder-)Anfänger ab und zu die Chance auf 1-2 Punkte habe.
Zur Regeneration überwinde ich mich zum Eisbaden in den Waginger See zu gehen. Anschließend nutze ich den Wellnessbereich des Hotels, der beim Tenniscamp dabei ist. Ich bin so platt, dass ich nicht in meinen gewohnten Saunaflow komme...
Der Orangensaft des gesunden, leckeren Frühstücksbuffets am nächsten Morgen wird zur Herausforderung: mein Unterarmmuskelkater lässt ein Einschenken kaum zu. Müde quäle ich mich zum Morgentraining. Doch nach einigen Minuten Aufwärmen bin ich wieder begeistert dabei und die Ballmaschine bestimmt meinen Takt. Fast meditativ konzentriere ich mich auf die Schläge. Sale ist geduldig mit uns, motiviert mit viel Humor und geht auf jede Lerngeschwindigkeit ein. Ich arbeite hart an meiner Technik und langsam, Stunde für Stunde, zieht Freude und Leichtigkeit ein.
Nach einigen Tagen kommen einige gute Ballwechsel zustande. Ich freue mich über platzierte Schläge, mit denen ich den Gegner über den Platz laufen lasse. Auch bei meinen Aufschlägen sehe ich Fortschritte. Beim Turnier am Ende der Woche spielen die Kursteilnehmer gegeneinander. Wir Damen spielen einen langen Satz bis neun. Einige Spiele sind heiß umkämpft, bevor ich sie schließlich verliere, einige verliere ich direkt hoffnungslos. Dennoch freue ich mich am Ende wenigstens ein Spiel gewonnen zu haben und gehe mit 1:9 vom Platz. Wie in einem Kinderturnier dürfen wir uns einen kleinen Sachpreis aus einer großen Wäschewanne aussuchen.
Den Abschluss bildet ein Training mit Sepp Baumgartner selbst. Die Ballmaschine bleibt dabei in der Ecke stehen und wir spielen miteinander. Mit meinen Aufschlägen bin ich unzufrieden, dennoch kann ich viel des Gelernten abrufen, kämpfe um jeden Ball, renne wie verrückt über den Platz. Ich hab große Freude, bin voll konzentriert - total im Flow. Diese Woche war definitiv erst der Auftakt. Ich komme auf jeden Fall wieder.
Das Tenniscamp kann ganzjähig Sonntag bis Samstag ganz- oder halbtags gebucht werden. Kürzere Aufenthalte sind möglich. Im Sommer sind bis zu 30 Teilnehmer üblich, die in Kleingruppen aufgeteilt werden.
Als Unterkunft kann das Hotel Wellnessgarten selbst oder deren Appartments (3km entfernt) gebucht werden. Da der Spabereich, der über ein Bademantelrestaurant verfügt, beim Tennis dabei ist, ist auch eine Kombination mit dem anliegenden Campingplatz denkbar. Für Freunde von "Workation": warum nicht vormittags 1,5 Stunden Tennis spielen und den Rest des Tages arbeiten?