Tag 9: Lützelflüh - Eggiwil
Es erschließt sich mir nicht ganz, warum ich nach der Hälfte des Tages den Uferweg an der Emme verlassen und weit aufsteigen soll, um schließlich wieder nach einem Abstieg am Ufer der Emme zu landen. Ich prüfe Karten und Wege und beschließe, dass es schon einen Sinn haben wird. Irgendetwas ganz besonderes wird dort oben sein...
Es ist bewölkt. Der Weg startet in Lützelflüh am Ufer der Emme. Der Uferweg geht erst ein bisschen durch den Wald. Anschließend geht er durch die Hinterhöfe von Industriehallen, vorbei am Sägewerk, am Recyclinghof und durch eine Großgärtnerei hindurch, immer dem Fluss folgend. Flussidyll und industrieller Hinterhofflair prallen hier wie zwei Welten aufeinander. In Langnau angekommen identifiziere ich die Halle, an der der Weg entlang läuft, als COOP-Rückwand. Freudig laufe ich um das Gebäude herum und fahre mit der Rolltreppe zum Supermarkt. Überwältigt von der lange vermissten Vielfalt kaufe ich ein, wonach mir gerade ist.
Meine Mittagspause „genieße“ ich auf der Aussichtsbank zwischen COOP-Rückwand und Emme. Ich stelle fest, dass ich viel weniger Hunger als Kauflaune hatte und bemühe mich nach vier Aprikosen meinen restlichen Einkauf unterzubringen. An einem Becher Birchermüsli scheitere ich. Schließlich nehme ich einen Stoffbeutel aus meinem Rucksack und binde das Birchermüsli an meinen Rucksack. Mit einem Müslipendel im Gepäck laufe ich weiter. Ein kurzer Anstieg lässt mich die Emme verlassen. Über Wiesen und durch Wälder nimmt der Weg seinen mühsamen Lauf nach oben. Irgendwann geht es in Stufen über und die erklommenen Höhenmeter summieren sich munter auf. Am Wegesrand, mitten im Wald, entdecke ich ein kunstvoll hergestelltes Engelchen. Und ähnlich dem Guerrilla Knitting in Etappe 1 erschließt es mir den Sinn dessen nicht und dennoch zaubert es mir ein Lächeln aufs Gesicht. Wenn jedem Wanderer hier ein Lächeln entlockt wird, ist durch dieses gebastelte Engelchen der Welt auch etwas Gutes getan.
Ich komme an einem kleinen Hof vorbei. Ein Kühlschrank und eine -truhe laden zum Hineinschauen und Mitnehmen ein. Neugierig beuge ich mich über das Plexiglas der Truhe. Verschiedene Sorten Käse in großen Stücken verpackt warten auf ihren Käufer. Die Portionen sind allerdings so groß, dass ich sie nie alleine essen könnte.
Einige Zeit später entdecke ich, warum ich so weit aufgestiegen bin. Eine Aussichtsbank steht exponiert auf einem Hügel. Es bietet sich mir ein Panoramablick über die Hügellandschaft der Emmentaler Berge. Leider sind die Alpen in den Wolken gefangen. Und so ziehe ich enttäuscht weiter...
Der Weg führt durch den Wald. Er passiert das sogenannte Hegenloch, einen der ältesten Tunnel der Schweiz. Über steile Serpentinen in einer Wiesenlandschaft bringt er mich schließlich ins Tal. Unten angekommen erwartet mich der Fluss Emme bereits zum dritten Mal als Etappenziel...