Tag 3: Me-Time auf der Ansbacher Hütte
Wie immer als letzte, suche ich planlos nach Kaffeetassen, um mir am Pumpspender die nötige Portion Wachwerden einzuschenken. Heute mache ich nichts. Ein ganzer Tag nur Nichtstun, Sonne, Ruhe, Weißbier - welch eine Wonne.
Doch erst die „Arbeit“, dann das Vergnügen. Erst wird Wäsche gewaschen. Unter klirrend kaltem Bergquellwasser scheint das „Rei in der Tube“ sich auch nicht so recht auflösen zu wollen. Geübt - wie jeden Sommerurlaub der letzten 15 Jahre - mache ich intuitiv ein Bild. Jeden Sommer „schenkt Rei den Urlaub zurück“, wenn man ein Bild einschickt und gewinnt. So tolle spektakuläre Rei-Bilder hatte ich schon gemacht, in Canyons in Namibia z.B. Nie wurde ich gezogen. Fast schon trotzig stelle ich Rei und Wäsche ins Fenster mit Berghintergrund. So: das muss reichen, liebes Marketingteam - da habt ihr ein Bild für 2025.
Und während die Wäsche vor sich hin trocknet, liege ich auf der Bank an der Hausmauer und höre eine geführte Meditation aus dem Spotifykanal „Moment mal“ mit Franzi. Gerade kann ich mir nichts besseres vorstellen… die Sonne kitzelt meine Nase und Franzi ermutigt loszulassen.
Ich merke, wie ich schon an Tag 3 einen mentalen Zustand erreiche, den ich in früheren Wanderungen erst in Woche 3 erreicht habe. Der Bodensatz meiner inneren Gedankenwelt scheint sich deutlich abgebaut zu haben. Lediglich die körperliche Müdigkeit beim täglichen Kampf vor dem Laptop hat ihre Spuren hinterlassen.
Seit 7 Jahren habe ich dasselbe Notizbuch beim Wandern dabei. Jeden Sommer ziehe ich Resumee über das letzte Jahr, notiere, was ich mehr und was ich weniger machen möchte, welche Eigenschaften ich stärken und welche ich loswerden möchte. Ich fülle das „wheel of life“ aus und analysiere das Delta zum Vorjahr. So packe ich wieder mein Notizbuch aus und lese meine Vorsätze, Lernfelder, Probleme und Wünsche der letzten Jahre. Vieles ist längst gegangen, leichter geworden, hat sich aufgelöst. An manchem knabbere ich immer noch. Ich notiere mir hier und da Gedanken (*2025) und lege das Buch wieder beiseite.
Es ist schön und gleichermaßen hilfreich jedes Jahr im Sommer eine Rückschau zu machen und eine kleine Agenda fürs nächste Jahr festzulegen. So werden Erfolge nicht inhaltlicher Art auch greifbar.
Den Rest des Tages verbringe ich lesend. Im Mai hatte ich einen Vortrag von Reinhold Messner gehört und dieses Buch geschenkt bekommen. Sein Vortrag war spannend, immer wieder die Parallelen vom Bergsteigen zum Unternehmertum suchend. Das Buch liest sich eher wie Opa, der ein bisschen erzählt. Aber das macht nichts, denn das Schönste ist, dass ich sowohl Zeit, als auch mentale Kapazität zum Lesen habe. So lange hab ich nichts mehr gelesen, weil mein Kopf nichts mehr aufnehmen konnte. In den letzten Monaten spürte ich zunehmend einen Hunger nach Wissen, Geschichten, neuen Perspektiven. Mein Körper ist müde, mein Geist hat Hunger.