Tag 2: St. Ursanne - Saignelégier

Langsam verschwindet der Nebel aus dem Tal und die Sonne glitzert im Spiegel des Wassers. Der Fluss Doubs bahnt sich in verschlungenen Pfaden seinen Weg durch ein malerisches Tal. Ich spaziere entlang des Flusses und scheine in einer anderen Welt zu sein. Die Vögel zwischern, der Fluss plätschert beruhigend vor sich hin, das Gelb des Löwenzahns und das statte Grün der Laubbäume ergeben ein frühlingshaftes Bild. Nur eine am Wegesrand aufgehängte Op-Maske reißt mich aus der märchenhaften Umgebung und erinnert auch hier an die aktuelle Lage der Welt.

Stunde für Stunde wandere ich weiter an kleinen Ferienhüttchen vorbei, die man mieten kann (Tipp! Ob das Internet für die Buchung hier schon angekommen ist, ist aber fraglich). In einem kleinen Dorf wird der Rasen gemäht und mir als Großstadtmensch mit Hochhauswohnung wird klar, wie lange ich dieses Geräusch nicht mehr gehört habe und wie lange ich diesen Geruch von frisch gemähtem Gras nicht mehr gerochen habe... Auf der anderen Seite des Flusses, ein paar Meter von mir entfernt, ist Frankreich. Ich denke kurz über Einreisebestimmungen und Quarantäne nach und ziehe weiter....

Nach einigen Stunden verlasse ich das Flusstal, um einen Waldpfad steil nach oben Richtung Saignelégier zu erklimmen. Der grüne, nassfeuchte Wald voller Kleeblätter und Matsch am Boden erinnert an einen Urwald. Bäume liegen quer und ich muss mit meinem großen Rucksack auf den Knien durch den Matsch unten durchkrabbeln, um weiter zu laufen. Unermütlich zieht sich der Pfad Stück für Stück nach oben. Am Ende des Aufstiegs stoße ich auf einen Fahrweg. Es ist spät geworden und ich werde gegen die Uhr laufen müssen, um rechtzeitig meine Unterkunft zu erreichen...

Und ich beginne mich zu erinnern an die Worte meines Abteilungsleiters „diese Märsche in der Bundeswehr, mit so viel Gepäck, ich lauf nicht mehr“. Fabian, ich werde 1,5 Stunden an deine Worte denken und hoffe bei jedem Schritt, der mehr und mehr eiert, dass mich meine Beine noch rechtzeitig nach Saignelégier tragen. Ich nehme die letzte Stunde die Landstraße, um einige Minuten herauszuholen und rufe in der Unterkunft an. „Tranquille“ sagt ein alter Herr am Telefon... Meine Beine sagen etwas anderes. Vielleicht hätte ich nicht am zweiten Tag schon zwei Etappen zusammenlegen sollen... Als ich um 20 Uhr im Ort ankomme, läuten die Glocken der Kirchen. Es kommt mir vor als würden sie applaudieren und heute nur für mich läuten. Müde und erschöpft werde ich von einem hämisch lachenden alten Mann mit Zahnlücken empfangen. „Sie waren eh schnell“ meint er...