Tag 18: Kenzenhütte - Schwangau
Der Abend wurde lange. Claudia ist irgendwann eingetroffen und ihr 52. Geburtstag wurde gebührend gefeiert. Sie setzte sich zu mir und drei Bambergern, die den 40. Geburtstag von Sebastian feierten. Herrlich wurde es als Claudia aus ihren Bamberger Studienzeiten und den (ihren) Typen zu dieser Zeit berichtete, die die drei Herrschaften kannten. „Ja, der ist immer noch so durchtrainiert“. Dass sie „nicht wie eine Nonne“ lebe, habe wir schon lange verstanden. Aber hey, danke fürs Betonen. Wir trinken Wein und ein paar Geburtstagsschnäpse, bevor ich mich in mein Mehrbettzimmer zu einem schnarchenden Ehepaar lege. Klingt auch wenig nonnig, war es aber.
Tipp: schimpfen hilft nicht, da fühlen sich Mitbewohner beengt. Einfach dagegenschnarchen (ob echt oder nicht), und dann deren Ärgerpause selbst zum Einschlafen nutzen.
Nach einem ausgiebigen Frühstück mit Claudia, ihren Männergeschichten und den drei Herren, verabschieden wir uns und ich starte auf dem Fahrweg Richtung Tegelberg. Die Gipfelroute sieht gigantisch aus, doch auch heute entscheide ich mich für die einfachere Strecke. Ich werde sowieso zur Kenzenhütte zurückkehren und hier (mit leichtem Gepäck) wandern gehen. Der Fahrweg führt mich vorbei an der Bergwachthütte. Das Team grüßt mich freudig schmatzend. Ein Radler / E-Biker nach dem anderen kommt mir entgegen. Die Kenzenhütte scheint DAS E-Bike-Ziel schlechthin zu sein. Ich biege ab und entferne mich von der Radlautobahn. Über Wiesen geht es, vorbei an einem See, auf Fahrwegen durch den Wald. Wieder bin ich ganz allein. Lange werde ich niemanden mehr treffen. Ich genieße nach der lauten und intensiven Gesellschaft der letzten Tage die Ruhe. Kein Handyempfang, keine Menschen, nur die Natur und ich.
Wenn meine Gedanken diese Stille nicht nutzen würden, um mir ein paar ungelöste Schmankerl aus den Untiefen meines Hirns zu präsentieren. Gedanken sind wie Wolken. Sie kommen und gehen. In manchen Zeiten ist gähnende Leere im Hirn, die Sonne scheint, in manchen ist es bewölkt. Und in dieser Leere ziehen ein paar Wolken auf und bitten um Aufmerksamkeit. Ich nehme sie an und denke eine Zeit lang über ein Thema nach. Währenddessen steige ich Höhenmeter um Höhenmeter Richtung Tegelberg hinauf. Ein wenig langweilig ist der Weg, doch das ist auch mal in Ordnung. Ein klares Bild der Gedankenwelt formt sich in meinem Kopf. Ich komme oben am Grat an und „kippe“ über Richtung Schwangau.
Ein gigantischer Blick über die Schwangauer Ebene und die langsam ansteigenden Berglandschaften bietet sich mir. Ich setze mich auf einen abschüssigen Vorsprung und genieße den Moment. Und just in dem Moment des Genusses bingt das Handy, denn es hat nach 24h wieder Empfang. Einige Nachrichten reißen mich jäh aus der Ruhe und inneren Balance des Vormittags.
Ich gehe die letzten 30min zur Bergstation der Tegelbergbahn, genieße dort ein alkoholfreies Weißbier und nehme schließlich faul die Bahn ins Tal hinab. Das Schloss Neuschwanstein thront linker Hand erhaben auf einem Hügel…
Es ist nicht mein Tag und ich freue mich, als ich schließlich in meiner Unterkunft ankomme. Ein Spaziergang zum Forggensee lässt die Laune wieder anheben...