Tag 16: Von der Medalges Alm nach Wolkenstein
Liebe Bergunerfahrene mit Herkunft nördlich des Weißwurstäquators, eine Alpenüberquerung ist kein Zumba-Kurs! Leggings oder Hotpants, schicke Turnschuhe und ein Herschel-Hipster-Rucksack sind nicht geeignet für die Tour, aber machen sich sicherlich gut auf Instagrambildern, die euch nach der Yogasession mit einem Sojalatte in einem nachhaltigen Recup-Becher zeigen. Dass auf eurer Leggings „just do it“ steht, ist keine Aufforderung eurer Leben zu riskieren, sondern soll euren inneren Schweinehund nach einem langen Arbeitstag überzeugen noch ein paar Meter zu joggen oder eben zum Yoga zu gehen. Bei Nebel, Regen und Sturm heißt das nicht, dass man in dieser Hipster-Instagram-Ausrüstung ohne Klettersteigset mitten in der Wolke auf den Klettersteig geht. Auch wenn euer Reiseführer „sagt, dass die Route da lang geht“ oder wenn ihr auf der Tour München-Venedig aus Prinzip keine Verkehrsmittel nutzen wollt, glaubt ihr, das interessiert eure Familie bei der Beerdigung? Er/sie war so ein toller Mensch, weil er/sie auf eine Gondel/einen Bus/einen Umweg verzichtet hat, ist er halt jetzt tot... Ich glaube nicht. Der Berg und das Wetter beherrschen euch, nicht umgekehrt.
Wir frühstücken heute auf der süßen Medalges Alm. Endlich gibt es nicht nur belegte Brote. Wir freuen uns über Spiegelei mit Speck und einen frischen Joghurt mit Beeren. Das Wetter ist unbeständig. Die Wolken ziehen umher und umhüllen die Roascharte, die wir gehen möchten, immer wieder wie Zuckerwatte das Stäbchen. Es ist trocken als wir loslaufen. Ein schmaler Wanderpfad führt uns aus dem Almgebiet hinaus Richtung Scharte. Sie sieht steil und gefährlich aus. Langsam beginnt es zu regnen. In einer Feldwand ist eine kleine Figur einer Schutzheiligen mit ein paar Münzen davor. Es sind wohl nicht genug Gläubige vorbeigekommen, sonst hätten wir wohl besseres Wetter. Wir steigen die Geröllscharte hoch. Sie sieht von unten gefährlich aus, ist aber auch bei Nässe recht einfach begehbar. Wir sind mitten in der Wolke. Die eindrucksvolle Aussicht bleibt uns vorenthalten. Oben angekommen, zeigt ein Wegweiser nach links über die Nivesscharte zur Puezhütte. Von dort wollten wir zum Grödner Joch. Inzwischen regnet es in Strömen, der Wind peitscht uns die Tropfen ins Gesicht, die Sicht ist schlecht und wir sind trotz Regenausrüstung und Handschuhen durchgeweicht. Wir entscheiden uns nach rechts ins Tal zur Regensburger Hütte abzusteigen. Trotz des Wetters sehen wir eine Gruppe von Wanderern in oben beschriebener Ausrüstung im Klettersteig hängen... Wir steigen weiter ab und laufen durch ein weites Tal bis wir an der Regensburger Hütte ankommen. Wir hängen all unsere Kleidung zum Trocknen auf, ziehen etwas Trockenes an, stärken uns und reservieren ein Hotel mit Sauna in Wolkenstein. Von der Hütte aus führt ein breiter Fahr- und Wanderweg ins Tal. Er wird immer mehr zum Wandererlebnispfad mit Erklärschildern für Kinder am Wegesrand. In Wolkenstein angekommen waschen und trocknen wir unsere Ausrüstung und freuen uns trotz Nässe auf einen schönen Ausklang dieses Urlaubstags bei Sauna und gutem Essen.