Tag 14: Tutzinger Hütte - Kochel am See
Die Morgensonne strahlt noch kühl, aber klar in die Senke der Tutzinger Hütte. Einige sind schon unterwegs - so auch Johannes - andere frühstücken ähnlich spät wie wir. Auch die kleinen Gangster-Kinder sind Spätaufsteher. Sie scheinen sichtlich überfordert mit dem Tragen einer Müslischüssel zu sein. Während ich müde eine Tasse Kaffee nach dem anderen trinke, beobachte ich gedankenleer das Treiben. Ich bekomme mit, dass zwei Wanderer auf dem Weg nach Venedig sind, wie wir vor vier Jahren. Die Wirtin, der Wanderer und ich diskutieren, ob nun die Flachlandetappen ab Belluno laufenswert sind oder nicht. Eine ähnliche Diskussion, die ich an Tag eins auf dem Zeppezauer Haus mit meiner Begegnung Sabrina geführt habe. Ich scheine mit dem Bejahen laut Wirtin eine Randmeinung zu vertreten. München-Venedig ohne München-Tölz und Belluno-Venedig ist für mich wie eine Schweinshaxe statt ein wohlabgestimmtes 3-Gängemenü. Einstimmig und Ausklang haben ihren Sinn und geben dem Geist den nötigen Raum das Ankommen in Venedig auch entsprechend zu schätzen, statt aus der letzten Klettersteigetappe in einen „Fertig-Zustand“ zu fallen. Wir empfehlen die komplette Strecke und unsere Wege trennen sich, sodass wir nie erfahren werden, wo dessen Reise wirklich endete.
So sind Begegnungen in den Bergen: Momentaufnahmen von Menschen, die einem selbst einen Impuls geben, oder denen man etwas mitgibt. Diese Impulse und Begegnungen können oft sehr bewegend, der prägend und zukunftsgestaltend sein. Es lohnt sich achtsam zu sein, gut zuzuhören und immer bereit Erfahrungen zu teilen.
Der erste Teil der Etappe verläuft gemeinsam mit der Stecke München-Venedig. Wir kennen den Verlauf und steigen rechts die Schotterserpendinen auf. Heiß ist es schon so früh am Morgen. Irgendwann meldet sich mein Handy - der Empfang ist zurück und einige Anrufe in Abwesenheit, sowie Nachrichten erzeugen ein schlechtes Gewissen netzfrei unterwegs gewesen zu sein. Mir Airpods im Ohr steige ich auf und stelle beruhigt fest, dass doch trotz einiger Anrufe alles in Ordnung ist… Oben abgekommen, folgt ein steiler Abstieg durch den Wald.
Eine Lichtung tut sich auf. Ein Gipfelkreuz steht in einer Art Senke. Ich hätte es hier nicht erwartet. Ein weiter Blick in die Jachenau lässt den Blick schweifen. Schön ist es hier! Wir folgen weiter dem schmalen Schotterweg. Er zieht sich langsam um die Hangkante. Schließlich erreichen wir die Staffelalm - sie ist berühmt für die „Kritzeleien“, die Franz Marc hier einst hinterließ. Fürs Kunst-Abitur gelernt, doch nie gesehen, spähe ich in die Stube. Ein Glas schützt die Zeichnung, die nach Übermalen des unwissenden Bauern, erst wieder freigelegt wurde.
Wir machen Pause und genießen eine Brotzeit. Leider bekommen wir mit, dass ein älterer Herr die heutige Hitze wohl nicht vertragen hat. Er wird von der Bergwacht auf der anderen Seite des Hauses behandelt. Schnell wird klar: der Helikopter muss kommen. Leuchtsignale machen auf einen möglichen Landeplatz aufmerksam. Wir helfen der Wirtin die Blumen und weitere lose Gegenstände in die Alm zu bringen. Der Helikopter lässt lange auf sich warten, lässt schließlich zunächst den Arzt hinab und sucht in großen Kreisen nach einem Landeplatz. Viele Orte wirken naheliegend, scheinen dem Piloten aber nicht zuzusagen. Er entscheidet sich millimetergenau auf dem Fahrweg zu landen, was einer Meisterleistung gleicht.
Learnings des heutigen Tages:
- es dauert wirklich sehr sehr lange bis ein Helikopter kommt, auch wenn man in Stadtnähe ein Problem hat
- Die Bergretter des ZDFs sehen irgendwie hübscher aus. Sorry Jungs…
Wir laufen weiter und steigen einen Kiespfad hinab ins Tal. Er fordert Konzentration trotz Hitze und Mündigkeit. Die Höhenmeter bauen sich langsam ab, knatternd sehen wir den Helikopter sich verabschieden, und wir latschen und latschen… Wieder angekommen auf einer Wiesenlichtung, geht der Weg in einen sanften Fahrweg über. Max Knie protestiert gegen weiteres Absteigen, doch es hilft nichts. Und so wandern wir den Fahrweg entlang noch ein paar Stunden nach Kochel am See, wo unsere heutige Unterkunft ist. Das Herzogstandhaus hat wegen Wassermangel geschlossen, und in Urfeld hatte da eine Hotel keine Verfügbarkeiten.
Es sieht nach Gewitter aus, doch ich bilde mir ein noch Baden zu wollen. Ich beeile mich und stehe schnell im sumpfigen Schlamm des so idyllisch wirkenden Kochelsees. Das Gefühl des Batzes vermiest mir jede Badestimmung und ich gebe das Vorhaben auf.
Wir gehen zum Italiener, stoßen bei Prosecco und Antipasti an und freuen uns über ein tolles Abendessen. Eine Massage in einem Hotel, die meine müde Muskulatur nach zwei Wochen Wandern braucht, runden den ereignisreichen Tag ab…