Tag 12: Bad Wiessee - Lenggries
Müde bin ich. Mein Einzelrhythmus ist kein Kompromissrhythmus. Ich bin „Typ Spätschicht“ sagt der Chef meines Chefs über mich. Das merke ich.
Es ist quasi mein Hausberg, der heute zu besteigen ist. Müde schlurfe ich die Straße entlang. Ein Youtube-schauender Mann mit langen zottligen Haaren überholt mich Barfuß. Er muss immer barfuß laufen, so wenig Schmerzen wie der Untergrund ihm bereitet. Begleitet wird er von Rudi, einem zotteligen weißen Hund, der irgendwie deutlich gepflegter und aufmerksamer wirkt als dessen Herrchen. Bei der nächsten Youtube-Pause überholen wir das Herrchen wieder. Wir folgen weiter dem Kiesweg Richtung Parkplatz Sonnbichl, von dem wir sonst starten. Er ist leer - was uns stutzig macht. Ein paar Meter weiter entdecken wir die Erklärung: Aueralm - Montag Ruhetag. Unsere Motivation rauscht in den Keller. Kein Weißbier auf der Stamm-Hütte? Welchen Sinn hat dieser Tag denn noch?
Mürrisch laufen wir weiter. Der Ärger verfliegt schnell. Wir folgen dem Bachlauf Stück für Stück hinauf. Schnell erreichen wir die geschlossene Aueralm.
Warum es keine Getränke mit Kasse auf Vertrauensbasis gibt, wundern wir uns. Nach einer kurzen Trauerpause wandern wir weiter auf dem Fahrweg Richtung Neuhüttenalm. Der Fockenstein thront oben rechts über uns. Angekommen an der Neuhüttenalm erfüllt sich der Traum eines Getränks mit Vertrauenskasse. Wir nehmen zwei Spezi aus dem Wassertrog und werden das Geld ein. Das kühle Getränk tut wahnsinnig gut in der Hitze.
Wir laufen weiter Richtung Lenggries. Unsere Gedanken und Gespräche sind bei ein paar Geschäfts-Gründungsideen, die mich seit den letzten zwei Tagen beschäftigen. Zwei davon sind alt, dennoch unbesetzte Marktlücken. Sie schreien nach Aufmerksamkeit und wollen weiter durchdacht werden. Am Abend hatte ich mit einem Freund eine dritte hinzugefügt. Alle drei spuken durch mein Hirn, möchten beachtet werden. Ich priorisiere sie und klammere die des Vorabends aufgrund des hohen Erstinvests wieder aus. Die anderen spinne ich in meinem Kopf weiter und diskutiere sie mit meinem Mann. Irgendwann auf dem Fahrweg steht „wegen Waldarbeiten gesperrt“. Genervt nehmen wir eine große Kurve Umweg über einen Fahrweg.
Irgendwann kommen wir über die Straße nach Lenggries hinein. Wir suchen eine Eisdiele. Der Ort scheint tot zu sein. Keine Cafés, kein Leben. Wir finden eine Eisdiele mit hässlichen Plastikstühlen und Selbstbedienung. Das Eis schmeckt gut, der Flair fehlt.
In einen altbackenen Gasthof kommen wir unter. Über dem Tresen sind die Krüge des Stammtischs aufgereiht. Wessen Bitzer schon verstorben ist, dort ist das Sterbebild eingerollt im Glas.
Überall hängen alte Karten, vergilbte Bilder, ausgestopfte Tiere und miefige Lampenschirme. Die Müdigkeit bringt uns trotz Gewitter in Sekundenschnelle zum schlafen…