Tag 11: Vernagt - Schlanders
Die Gastgeber des Tisenhofes servieren eine gute Brotzeitplatte mit lauter hausgemachten Köstlichkeiten zum Frühstück. Wir sind die einzigen Gäste und werden freundlich umsorgt. Besorgt schauen wir uns den Wetterbericht an und beschließen zunächst zu einer Alm oberhalb des Vernagt Stausees aufzusteigen, um dort wahlweise (je nach Wetter) wieder zurückzukehren oder weiter Richtung Schlanders über das Taschenjöchl auf- und abzusteigen. Ein harter Anstieg wartet auf uns.
Wir überqueren die Staumauer und steigen steil einen Waldpfad empor. Die feuchten Nadeln des Waldes riechen wie ein angenehmer Saunaaufguss. Meine Wadln beschweren sich bei jedem Schritt über den Vortag. Doch irgendwann haben sie sich damit abgefunden laufen zu müssen und beenden ihren mürrischen Protest. Untermalt wird unser Aufstieg von ununterbrochenem Hubschraubergeknatter. Auf der anderen Seite des Sees werden Lawinenverbauungen errichtet und der Helikopter fliegt im Pendelverkehr die Bauteile hinauf auf den Berg. Ein wenig künstlich wirkt das Setting mit Stausee und Hubschrauberlärm. Wie wenn man im Fitnessstudio im Spinning sitzt und auf der Leinwand die Bergstraße im Video sieht…
Die Veränderung der Wolken gefällt uns nicht. Sie ziehen die Energie aus dem Tal herauf, um in weiter Höhe dunkle Türme zu bilden. Wir prüfen abermals Wetterapps für Bergsteiger und Flieger und beschließen nach 500 Höhenmetern ohne die Zwischenstation der Alm erreicht zu haben sicherheitshalber wieder abzusteigen. Es könnte ein Gewitter geben und wir möchten nicht oben auf dem Bergrücken erwischt werden. Wieder zurück am Stausee, immer noch den Lärm im Ohr, nehmen wir den Bus nach Latsch, um von dort mit der Bahn nach Schlanders zu fahren. Im Bus nimmt sich mein Körper freudig, was er dringend gebraucht hat, und ich schlafe tief und fest ein...
Die Wolken hängen hoch oben auf den Berggipfeln, während hier unten der süditalienische Sommer Schlanders erreicht zu haben scheint. Es ist flirrend heiß und die Sonne scheint uns grillen zu wollen. Nach einer großzügigen Waschaktion schlürfen wir genüsslich Eisschokolade und -kaffee in der Fußgängerzone. Wir sind in Südtirol angekommen. Gemütlichkeit, Flair und der Sinn für Genuss sind kein Vergleich zu denen Tirols. Mich packt meine Lust auf Sauna, trotz Sommerhitze und so frage ich, Badesachen unter dem Arm, an der Rezeption eines 4****-Hotels, ob es möglich sei nur den Wellnessbereich zu nutzen. Wir haben Glück und kommen in einen seltsamen Spa-Garten mit Brückchen, Palmen und römischen Säulen. Whirlpool und Sauna verwöhnen unsere trotzig müden Beine und machen sie wieder fit für die nächsten Höhenmeter. Abends finden wir eine nette Weinbar. Es schmeckt himmlisch. Eine perfekte Weinbegleitung und ein Marilleneis mit Marillengin leuten die Zeit des kulinarischen Genusses auf der Alpensüdseite ein…