Prolog
Dieses Jahr geht von Garmisch zum Gardasee. Nachdem ich im letzten Jahr stark die RKI-Länderliste für die Wahl meiner Route zuhilfe nehmen musste, ist es dieses Jahr möglich eine freie Entscheidung zu treffen. Viel hat sich geändert. Die Grenzen sind wieder frei passierbar und die Regeln sind weitestgehend abgeschafft.
Der Gardasee hatte schon immer etwas Wunderbares an sich: das Traumziel aller Münchner, italienisch mediterran angehaucht, dennoch bergig alpin, eine Mischung aus Charme, Chic und Sportlerparadies. Während die einen dem Dolce Vita frönen, strampeln andere eine Bergstraße nach der anderen hinauf oder klettern die steilen Felswände in Arco empor. Ich war in meinem Leben viel zu selten am Gardasee. Bisher für zwei lange Wochenenden zum Golfen und Genießen. Dabei wäre ich absolut prädestiniert für die Beidhändigkeit aus einem Glas gutem Rotwein gepaart mit gutem Essen und Wellness und sportlichen Aktivitäten, ob in den Bergen, auf einem SUP, auf dem Tennis- oder Golfplatz. Genießen ist etwas, was ich in den letzten Jahren extrem gut gelernt habe. Die Tagträume des schönen Genießertums am Gardasee inspirierten mich diese Region als Endziel einer Fernwanderung auszuwählen.
Es gibt eine offizielle Fernwanderroute von Garmisch nach Brescia (L1) (http://www.alpenquerung.info/Alpenueberquerung/L1/Alpenueberquerung-auf-dem-L1-Garmisch-Brescia-Hoehenprofil-Etappen) , die mir allerdings zu lange dauert, denn mein Zeitbudget für Urlaub ist durch die Abschaffung von Überstunden mehr als halbiert. Nach einiger Recherche stoße ich auf den Blog der Familie Högner:
https://www.hoegners.de/Tscharly/touren/tour2008.html
Die Tour gefällt mir auf den ersten Blick… allerdings nicht auf den zweiten. Bei genauer Prüfung stellte sich jedoch heraus, dass die Herrschaften unglaublich fit sein müssen (Wegstrecke, Höhenmeter), keinen Gipfel, keinen Grat und keinen Klettersteig ausließen. So setzt sich ihre Route weitestgehend aus Garmisch - Brescia, dann Geigenkamm (Mainzer Höhenweg), dann Dolomitenhöhenweg 10 zusammen. Eine Nummer zu groß und zu gefährlich für uns. Vielleicht sind wir wann anders bereit dafür.
Somit begann ich eine eigene Planung mit der Software Alpenvereinaktiv. Die Etappen werde ich bei Gelegenheit separat verlinken, sodass die Tour nachlaufbar ist. So pi mal Daumen orientierte ich mich an der Luftlinie und verband Stück für Stück Hütten und Orte nahe der Idealline in verarbeitbare Pakete. Heraus kamen 21 Etappen, auf denen uns alle Leser begleiten dürfen.
Auszug aus meiner Gedankenwelt:
Du hast mir so viele Bälle zugespielt, ich hab sie alle aufgenommen, die Welt mit neuen Augen sehen gelernt, Werte und Gewohnheiten verschoben und mein Leben schöner und auch effizienter gemacht. Du hast mein Koordinatensystem verändert und ich bin ein wenig müde von der Koordinatentransformation, die ich für mein Inneres noch nicht abgeschlossen habe. Du hast mich mit Fragen beschäftigt, mit denen ich mich nie beschäftigen wollte, die dennoch wichtig waren. Wachstum ist nicht linear. Es lebt von Coaches, Vorbildern, Zuhörern und Tippgebern so wie dir (danke!) und vom Fehler machen, vom Scheitern und vom wieder Aufstehen und daraus Lernen. Doch dazu braucht es Ruhe und Zeit zum Reflektieren und Verschnaufen. Und dafür gibts keine bessere Zeit als eine Fernwanderung. Schon in meinen letzten Wanderungen sortierte sich mein Ich ausgiebig. Die Wühlkiste an Gedanken präsentiert zu Anfang bunt gemischt alle Erfahrungen, Ideen, Begegnungen, Neujustierungen, Zukunftsplanungen, Schmerz und Trauer wie einer der Automaten am Volksfest, bei dem sich der Greifer zufällig ein Bärchen oder Teufelchen auswählt. Nach einiger Zeit setzt sich das Ganze, clustert sich, löst sich ganz unterbewusst mit jedem Schritt. Oft habe ich kleine oder größere Entscheidungen getroffen, die mir mein wanderndes Inneres plötzlich wie aus dem Nichts ausspuckten. Nie hab ich sie bereut.